Die rote Osterglocke
Aus dem Buch „Frühling in Pfifferlingen“
Dies ist mein Beitrag für den Oster-Kalender von www.autoren-adventskalender.de
Freyja, die gute Wichtelfrau, öffnete die Tür ihres Hauses und trat in die Frühlingssonne. Sie musste blinzeln, aber dann gewöhnten sich ihre Augen schnell an das Sonnenlicht. Sie schob den Korb, in dem sie Waldkräuter sammeln wollte, über ihren rechten Arm und wandte sich nach rechts zum Waldrand hin. Dort angekommen, blieb sie stehen und machte erstaunt große Augen. Am Rand des magischen Waldes stand doch tatsächlich eine rote Osterglocke, die neben ihren Nachbarinnen, die wunderbar gelb in der Frühlingssonne leuchteten, deutlich herausstach.
Sie trat näher und ohne sie zu berühren betrachtete sie die leuchtend rote Blüte, auf der auch eine früh erwachte Biene herum kletterte. Dort, ganz in der Mitte, lag etwas, das merkwürdig aussah. Ein leichtes Glitzern ging von einem kleinen, schimmernden Steinchen aus, welches mitten in dem Blütenkelch verborgen lag. Freyja zögerte. Sollte sie die Blume berühren und womöglich das Steinchen in die Hand nehmen? Während sie noch dastand und sich ihre Wichtelgedanken machte, kam der Troll Bruno um die Ecke. Bruno war um einige Wichtelköpfe größer als Freyja und beachtete die rote Blume im ersten Moment gar nicht.
Doch dann blieb auch er stehen und starrte dieses kleine Wunder der Natur erstaunt an.
„Hallo Bruno!“ sagte Freyja etwas lauter als nötig. „Hast du eine Idee,…?“ Aber Bruno schüttelte mit einem kleinen Seufzer den Kopf. „Was auch immer das sein soll, irgendwie sieht es seltsam aus!“ Er stupste die Blüte mit einem seiner Trollfinger an und es ertönte ein leises, leichtes Bimmeln, wie von einer Miniglocke. Aber was war das? Es schwoll immer stärker an, wurde zu einem durchdringenden Klingeln und dann zu einem lauten Läuten, was über das ganze Dorf Pfifferlingen hallte.
Freyja mache große Augen und Bruno zog schnell seine Hand zurück und versteckte sie hinter seinem Rücken. Von überall aus den Pilzhäusern des Dorfes schauten nun neugierige Zwergen- und Wichtelgesicher hervor. Trolle blickten aus ihren Höhlen und Schlupfwinkeln, wo denn wohl dieses Läuten herkam. Auch der Wichtel Kalle kam aus seinem Häuschen und wollte wissen, was denn da los sei. Er lief neugierig auf den Waldrand zu, blieb dann aber stehen und wusste nicht so recht, was er tun sollte.
Alles war wie immer an einem Frühlingstag. Die Sonne schien, der Blütenduft zog über das Land, aber von der roten Osterglocke ging ein ohrenbetäubendes Läuten aus, wie von mehreren kleinen und großen durchdringenden Kirchenglocken. Die Wichtel, Zwerge und Trolle aus Pfifferlingen mussten sich inzwischen schreiend verständigen. Viele hielten sich auch die Ohren zu, denn so einen Krach machte die kleine Blume.
Da nahm sich Wichtelfrau Freyja ein Herz, streckte die Hand aus und berührte die Blüte mit ihrer kleinen Hand. Das Läuten wurde leiser und leiser. Es wurde zu einem Bimmeln, dann zu einem leisen Klingeln und verstummte schließlich ganz. Still war es nun wieder rund um das kleine Dorf Pfifferlingen. Und aus der Osterglocke fiel mit einem leisen PLING das kleine, schimmernde Steinchen heraus.
Als es den Boden berührte, zersprang es und versprühte dort Glitzerfunken Dort, wo eben noch das Steinchen gewesen war, erhob sich nun eine kleine Fee.
Sie flatterte zuerst noch etwas unbeholfen mit den Flügeln, dann aber immer kräftiger und sicherer. Und schwang sich in die Luft. Sie begann zu singen und dieses wunderbare, glockenhelle herrliche Stimmchen erfüllte wiederum die Luft.
Aber viel lieblicher war doch dieser Gesang gegenüber dem lauten Läuten der Osterglocke!
Es brachte die Menschen zum lächeln, singen, tanzen, es brachte wunderbare Gedanken und alle hatten plötzlich das Gefühl, nie glücklicher gewesen zu sein! Sie blickten voller Erstaunen und Freude auf die kleine Fee, die nun über ihnen jauchzend und jubelnd ihre Kreise zog.
„So werden also Feen geboren!“ murmelte der Troll Bruno.
Er stand am Waldrand, mit den großen Trollhänden in den Hosentaschen und sah lächelnd dem kleinen, zierlichen Wesen zu.
Die weise Wichtelfrau Shila kam zum Waldrand, erstaunlich schnell für ihr Alter. „Endlich habe ich es mitbekommen! Jetzt bin ich schon so alt geworden und heute habe ich das zum ersten Mal gesehen!“
Flocki, ein noch recht junger Wichtel, kam hinzu und sah Shila fragend an. „Also ist es wahr, was die alten Geschichten sagen? Dass es nur alle 100 Jahre passiert? Und wir waren jetzt dabei?“ Shila nickte. „Ja, wir waren wirklich dabei! Was für ein Freudentag!“ Bruno war ganz feierlich zumute und als größter Troll des Dorfes hörten ihm alle zu, als er nun rief: „Das muss gefeiert werden – mit einem Frühlingsfee-Geburtstagsfest!“
Und so war es dann auch. Noch lange erzählte man sich von diesem Abend. Es wurde gefeiert, getanzt, erzählt und gelacht, gesungen und gejubelt, wie es nur in Pfifferlingen möglich war.